Die Prokura im Unternehmensrecht - Teil 2

Prokura – Verantwortung, Vollmacht und Vertrauen im Unternehmen

Die Prokura ist in den §§ 48 ff UGB als besondere handelsrechtliche Vollmacht geregelt und zählt zu den wichtigsten Instituten des österreichischen Unternehmensrechts. Ihre zentrale Funktion liegt darin, das Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis nach Flexibilität im Geschäftsverkehr einerseits und der Rechtssicherheit der Geschäftspartner andererseits zu bewältigen. Der Gesetzgeber hat mit der Prokura ein Instrument der Vertretungsmacht geschaffen, das sowohl inhaltlich äußerst weitreichend als auch formal strikt geregelt ist: Sie erfordert zwingend die ausdrückliche Erteilung durch den Unternehmer (§ 48 Abs 1 UGB) sowie die Eintragung ins Firmenbuch (§ 53 UGB), wodurch die Publizitätswirkung des § 15 UGB zur Anwendung gelangt. Der Umfang der Prokura ist gemäß § 49 Abs 1 UGB grundsätzlich unbeschränkt und erstreckt sich auf sämtliche gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte, die mit dem Betrieb eines Unternehmens verbunden sind. 

Damit unterscheidet sie sich wesentlich von der handelsrechtlichen Handlungsvollmacht (§ 54 UGB), deren Anwendungsbereich inhaltlich enger gefasst ist. Interne Beschränkungen der Prokura bleiben nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) Dritten gegenüber unbeachtlich, was die Prokura zu einem besonders leistungsfähigen Instrument im Rechtsverkehr macht. Von dogmatischer Relevanz ist zudem die Frage nach den Grenzen der Prokura, beispielsweise im Hinblick auf sogenannte Grundlagengeschäfte wie die Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften (§ 49 Abs 2 UGB), die einer zusätzlichen ausdrücklichen Ermächtigung bedürfen. Ebenso bedeutsam sind Fragestellungen, die den Widerruf oder die Beendigung der Prokura (§ 52 UGB) sowie deren Publizitätswirkung im Firmenbuch betreffen. Die Prokura stellt somit einen zentralen Referenzpunkt dar, an dem sich wesentliche Grundprinzipien des Unternehmensrechts – insbesondere die Vertretungslehre, die Funktion des Firmenbuchs sowie die Abgrenzung zu allgemeinen zivilrechtlichen Vollmachten (§§ 1002 ff ABGB) – exemplarisch widerspiegeln. Ziel dieses Beitrags ist es, die dogmatische Struktur der Prokura zu analysieren, deren Grenzen aufzuzeigen und die praktischen Auswirkungen sowohl der einschlägigen Judikatur als auch der herrschenden Lehre kritisch zu erörtern.

Die in den §§ 48 bis 53 UGB normierte Prokura stellt keine organschaftliche, sondern eine rechtsgeschäftliche Vollmacht dar. Sie kann ausschließlich von einem im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer und lediglich an eine natürliche Person erteilt werden. Zudem ist die Prokura selbst im Firmenbuch einzutragen. Für Dritte entfaltet die Prokura aufgrund gesetzlicher Verkehrsschutzregelungen einen zwingend festgelegten Umfang. Die unternehmerische Tätigkeit ist in der Regel durch eine arbeitsteilige Organisation geprägt. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Organisation ist die Wahrnehmung von Aufgaben durch Bevollmächtigte, wobei die Vertretungsmacht als solche unter den Begriff der Stellvertretung fällt. Die Bevollmächtigung bzw. Stellvertretung orientiert sich grundsätzlich an den Bestimmungen der §§ 1002 ff ABGB. Allerdings sind sowohl das Bestehen als auch der genaue Umfang einer Vollmacht für Dritte mangels Publizität oftmals nicht eindeutig erkennbar. Dies führt insbesondere im geschäftlichen Verkehr zu Unsicherheiten, höheren Transaktionskosten sowie Verzögerungen. Um diesen Herausforderungen entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Erteilung einer Prokura vorgesehen (neben der Handlungsvollmacht). Die gesetzliche Regelung der Prokura beschränkt sich jedoch auf die wesentlichen Punkte, die einer gesetzlichen Normierung bedürfen. Subsidiär finden die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen der §§ 1002 ff ABGB Anwendung.

Auftritt und Zeichnung eines Prokuristen

A. Auftritt als Prokurist

Wie jede Vollmacht muss auch die Prokura gegenüber Dritten offengelegt werden, damit diese erkennen können, dass eine Person im Namen eines anderen handelt (Grundsatz der Offenlegung). Der Prokurist ist daher verpflichtet, eindeutig als solcher aufzutreten. In der Regel gilt die Vorlage eines Firmenbuchauszugs als ausreichender Nachweis der Prokura. Alternativ genügt auch die Erklärung des Vertretenen gegenüber dem Dritten, dass eine Prokura erteilt wurde. Eine solche Erklärung kann beispielsweise in einer entsprechenden Legitimationsurkunde enthalten sein. Wurde tatsächlich eine Prokura erteilt, ist selbst die bloße Erklärung des Prokuristen, über Prokura zu verfügen, ausreichend, ohne dass dies weiter nachgewiesen werden muss. Sollte diese Erklärung jedoch falsch sein, droht dem Prokuristen eine Haftung als falsus procurator.

Zeichnungsweise

Ein Prokurist zeichnet im Geschäftsverkehr, indem er der Firma seinen Namen sowie einen Zusatz hinzufügt, der auf die Prokura hinweist, gemäß § 51 UGB. Gängige Zusätze sind beispielsweise "per procura" - ppa - oder "als Prokurist". Die Firmierung muss dabei nicht handschriftlich erfolgen; in der Praxis wird häufig ein Firmenstempel verwendet, da dieser ein höheres Maß an Vertrauen genießt als eine handschriftliche Signatur.

Es zeigt sich jedoch häufig, dass Prokuristen den in § 51 UGB ausdrücklich vorgesehenen Prokurazusatz bei der Zeichnung nicht verwenden. Solche Verstöße gegen die gesetzlich vorgeschriebene Form führen jedoch nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz bestimmt und nicht durch die äußere Form des Zusatzeintrags eingeschränkt. Entscheidend ist, ob für den Geschäftspartner aufgrund der konkreten Umstände klar erkennbar war, dass der Unterzeichner in Ausübung der Prokura und somit im Namen des Unternehmens handelte. Dies trifft insbesondere auf laufende Geschäftsbeziehungen zu, in denen der Erklärungsempfänger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht daran zweifeln kann, dass der Handelnde als Prokurist auftritt.

Das Fehlen des Prokurazusatzes führt in erster Linie zu Beweis- und Klarstellungsproblemen, ohne jedoch die Wirksamkeit der Erklärung des Prokuristen im Namen des Unternehmens zu beeinträchtigen. Nur in Fällen, in denen die Vertretungsstellung des Unterzeichnenden für den Vertragspartner nicht erkennbar war, könnten Risiken der Unwirksamkeit oder zumindest der Anfechtbarkeit entstehen.

Der Prokurist ist im Geschäftsverkehr verpflichtet, die Firma des Unternehmens mit seiner persönlichen Unterschrift zu versehen und dabei einen die Prokura kennzeichnenden Zusatz hinzuzufügen (§ 51 Abs 1 UGB). Als Prokurazusatz sind insbesondere die Bezeichnungen „ppa“, „per procura“ oder „als Prokurist“ zulässig. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass der Vertretungswille eindeutig erkennbar ist und die Ausübung der Prokura zweifelsfrei zum Ausdruck bringt. Zusätze wie „i.V.“ (in Vertretung) oder „i.A.“ (im Auftrag) sind nicht ausreichend, da sie keine Prokura nachweisen, sondern lediglich auf eine andere Form der Vollmacht hinweisen. Eine eigenhändige handschriftliche Ausfertigung der Firma ist nicht erforderlich. In der Praxis wird häufig ein Firmenstempel verwendet, der den Firmenwortlaut enthält. Dieser wird vom Prokuristen mit seiner Unterschrift sowie dem entsprechenden Prokurazusatz versehen. Dabei ist zu beachten, dass der Firmenstempel selbst keine konstitutive rechtliche Wirkung entfaltet. Er dient vor allem der besseren Erkennbarkeit der Firma und genießt im Geschäftsverkehr ein erhöhtes Maß an Vertrauen, ohne jedoch eine eigenständige rechtliche Qualität aufzuweisen.

Umfang der Prokura - Gesetzlich festgelegte Befugnisse 

Die Prokura berechtigt zu sämtlichen gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften sowie Rechtshandlungen, die im Rahmen des Betriebs eines Unternehmens erforderlich sind (§ 49 Abs. 1 UGB). Dabei ist nicht der konkrete Unternehmensgegenstand relevant, sondern es werden sämtliche Handlungen erfasst, die im Zusammenhang mit einem beliebigen Unternehmen stehen.

Grundsätzlich umfasst die Prokura sowohl gewöhnliche als auch außergewöhnliche Geschäfte, unabhängig davon, ob diese regelmäßig oder nur ausnahmsweise getätigt werden. Beispielsweise umfasst die Prokura das Recht zur Übertragung eines Markenrechts, unabhängig davon, ob dieses für den Betrieb des Unternehmens essenziell ist oder nicht.

Ausnahmen

Die Prokura schließt bestimmte Geschäfte explizit aus. Folgende Handlungen dürfen durch einen Prokuristen nicht vorgenommen werden:

  • Veräußerung und Belastung von Grundstücken (§ 49 Abs. 2 UGB, Immobiliarklausel)
  • Erteilung einer Prokura (§ 48 Abs. 1 UGB)
  • Übertragung der eigenen Prokura auf eine andere Person (§ 52 Abs. 2 UGB)
  • Anmeldung zum Firmenbuch (§ 12 UGB)
  • Unterzeichnung des Jahresabschlusses (§ 194 UGB)
  • Änderung des Gesellschaftsvertrages des Unternehmensträgers (z. B. Stilllegung des Geschäftsbetriebs, Veräußerung des Unternehmens, Änderung der Firma, Änderung der Rechtsform des Unternehmens)

Zwar darf der Prokurist keine Grundstücke veräußern oder belasten, er ist allerdings befugt, Grundstücke zu erwerben, zu vermieten oder zu verpachten. Zudem darf er eine Hypothek auf ein neu erworbenes Grundstück aufnehmen, um den Kaufpreis abzusichern. In diesem Zusammenhang wird die Immobiliarklausel teleologisch reduziert.

Handlungen, die gemäß der gesetzlichen Regelungen nicht durch die Prokura abgedeckt sind, können dem Prokuristen jedoch durch eine separate Vollmacht gestattet werden. Beispielsweise darf der Prokurist ohne entsprechende Vollmacht keine Sitzverlegung beim Firmenbuch anmelden. Es sei angemerkt, dass solche Vollmachten auch Personen ohne Prokura erteilt werden können. Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) kann im Falle einer Klage gemäß § 42 Abs. 1 GmbHG, die von einem Gesellschafter-Geschäftsführer erhoben wird, nicht durch einen weiteren kollektivvertretungsbefugten Geschäftsführer gemeinsam mit einem Prokuristen vertreten werden.

Die Unbeschränkbarkeit der Prokura

A. Die Formalvollmacht

Eine Einschränkung des Umfangs der Prokura ist gegenüber Dritten (im sogenannten Außenverhältnis) gemäß § 50 Abs. 1 UGB rechtlich unwirksam. Beispielsweise kann die Ausübung einer Einzelprokura für eine GmbH nicht von der Zustimmung eines Geschäftsführers abhängig gemacht werden, sofern dies nach außen hin geschieht. Allerdings ist die Möglichkeit einer gemischten Gesamtvertretung gegeben. Es ist rechtlich nicht zulässig, die durch Gesetz vorgesehene Vertretungsmacht des Prokuristen inhaltlich zu beschränken, etwa indem bestimmte Arten von Geschäften untersagt werden.

Das grundlegende Wesen der Formalvollmacht liegt gerade in ihrer Unbeschränkbarkeit. Dritte sollen nicht in die Position geraten, prüfen zu müssen, ob und in welchem Umfang die erteilte Vertretungsmacht durch entgegenstehende Befugnisse oder Weisungen eingeschränkt sein könnte. Diese Regelung dient der Erleichterung und Vereinfachung des Geschäftsverkehrs.

Auch im allgemeinen Privatrecht wird zwischen der Vollmacht, die im Außenverhältnis von Bedeutung ist, und dem Innenverhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter (Ermächtigung oder Auftrag) unterschieden. Während der Umfang der Vollmacht nach den Wünschen des Vertretenen ausgestaltet werden kann, trennt das ABGB nicht strikt zwischen Auftrag und Ermächtigung im Innenverhältnis sowie der Vollmacht im Außenverhältnis. Allerdings legt die rechtswissenschaftliche Lehre großen Wert auf eine klare Abgrenzung. Einschränkungen der Befugnisse des Vertreters sind für Dritte nur dann von Bedeutung, wenn diese Einschränkungen Dritten bekannt oder erkennbar sind. Streitigkeiten darüber, ob eine solche Kenntnis im Einzelfall vorlag, erschweren den Geschäftsverkehr erheblich. Bei unternehmensrechtlichen Formalvollmachten wird daher bewusst darauf abgezielt, derartige Komplikationen zu vermeiden, um den reibungslosen Geschäftsverkehr zu fördern und die Position der Dritten zu stärken.

Selbst wenn einem Dritten bekannt ist, dass der Prokurist aufgrund interner Weisungen weniger Handlungsspielraum hat, als ihm formalrechtlich zusteht, berührt dies die Gültigkeit eines Geschäfts, das diesen internen Weisungen zuwiderläuft, grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme bildet lediglich der Fall der Kollusion, welcher voraussetzt, dass der Vertreter bewusst und in absichtlicher Schädigungsabsicht gegenüber dem Vertretenen handelt.



B. Beschränkung im Innenverhältnis 

Beschränkungen im Innenverhältnis sind nicht nur zulässig, sondern treten in der Praxis häufig auf. Auch wenn Geschäfte, die vom Prokuristen im Rahmen seiner Vollmacht unter Missachtung interner Beschränkungen abgeschlossen werden, im Allgemeinen gültig bleiben (Ausnahme: Kollusion), kann ein solcher Missbrauch der Vollmacht im Innenverhältnis Schadensersatzansprüche des Vertretenen begründen. Zudem kann eine Missachtung interner Beschränkungen der Vollmachtsausübung einen wichtigen Grund für die sofortige Auflösung des Dienstverhältnisses des Prokuristen darstellen. Es ist außerdem zu beachten, dass die Prokura selbst jederzeit und ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden kann. 

 VI. Unübertragbarkeit der Prokura  

Gemäß § 52 Abs. 2 UGB ist die Prokura nicht übertragbar. Der Prokurist ist weder berechtigt, seine Befugnisse auf einen Dritten zu übertragen, noch kann der Geschäftsinhaber dies veranlassen. Soll eine andere Person die Funktion des Prokuristen übernehmen, ist die bestehende Prokura zu widerrufen und eine neue Prokura auszustellen. 


Allgemeines

In Bezug auf die Art und Weise, wie die Befugnisse eines Prokuristen ausgeübt werden können, gibt es unterschiedliche Formen der Prokura, die sich weniger im Umfang, sondern vielmehr in der Frage unterscheiden, ob der Prokurist allein oder nur gemeinsam mit anderen handeln darf. In diesem Zusammenhang wird zwischen der Einzelprokura und der Gesamtprokura differenziert. Darüber hinaus kann eine Prokura auch speziell für eine Zweigniederlassung (Filiale) erteilt werden, sofern diese unter einer eigenständigen Firma geführt wird (sogenannte Filialprokura).

Einzel- und Gesamtprokura

1. Einzelprokura wird einer Person erteilt, die allein zur Vertretung befugt ist. 

2. Die Gesamtprokura gemäß § 48 Abs. 2 UGB schließt die alleinige Vertretungsbefugnis aus. Der Gesamtprokurist ist ausschließlich befugt, gemeinsam mit einem oder mehreren weiteren Personen zu handeln. Ohne die Mitwirkung eines weiteren Gesamtprokuristen ist die Vertretung durch einen Einzelnen nicht möglich. Gibt ein Gesamtprokurist dennoch allein eine Erklärung ab, fehlt ihm die entsprechende Vertretungsbefugnis. Es darf somit kein Vertrauen auf die Erklärung eines Gesamtprokuristen gesetzt werden, wenn diese den eingetragenen Beschränkungen entgegensteht. In einem solchen Fall handelt es sich um einen „falsus procurator“.

Einschränkungen und Besonderheiten: Es ist nicht erforderlich, dass die Gesamtprokuristen gleichzeitig und gemeinsam auftreten. Darüber hinaus können sich Gesamtprokuristen gegenseitig bevollmächtigen, um bestimmte Geschäfte eigenständig vorzunehmen, sodass ein Gesamtprokurist im Namen aller handeln kann. Eine interne Zustimmung oder eine schlüssige Genehmigung der übrigen Gesamtprokuristen ist hierbei ausreichend. Zur Entgegennahme von Erklärungen Dritter (passive Stellvertretung) genügt die Mitwirkung eines einzelnen Gesamtprokuristen. 

Gemischte Gesamtvertretung 

1) Zulässigkeitsgrenze: Es ist möglich, dass ein Prokurist nur gemeinsam mit einem organschaftlichen Stellvertreter, einem vertretungsbefugten Gesellschafter oder einer anderen dritten Person handlungsbefugt ist und umgekehrt (vgl. § 125 Abs. 3 UGB, § 18 Abs. 3 GmbHG, § 71 Abs. 3 AktG, § 17 Abs. 3 GenG). Verschiedene Kombinationen sind hierbei denkbar. Diese Konstellation wird als gemischte (oder unechte) Gesamtvertretung bezeichnet. Es wird jedoch davon abgeraten, in solchen Fällen von "Gesamtprokura" zu sprechen, wenn lediglich ein Prokurist gemeinsam mit einem anderen Vertreter zur Gesamtvertretung befugt ist.

Ein zentraler Gesichtspunkt ist hierbei die Wahrung der autonomen Willensbildung und Vertretung auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Die gemischte Gesamtvertretung darf nicht so ausgestaltet sein, dass den organschaftlichen Vertretern die Möglichkeit genommen wird, die Gesellschaft auch ohne Beteiligung eines Gesamtprokuristen zu vertreten. Vielmehr ist sicherzustellen, dass die Gesellschaftsorgane trotz der gemischten Gesamtvertretung ihre alleinige Dispositions- und Gestaltungsmacht beibehalten. Es erscheint jedoch zulässig, die Prokura als solche mit einer anderen Vertretungsform zu einer Gesamtvertretung zu verbinden.

2) Umfang der gemischten Gesamtvertretungsbefugnis des Prokuristen: Die Vertretungsbefugnis der organschaftlichen Vertreter geht grundsätzlich über die Befugnisse eines Prokuristen hinaus. Im Allgemeinen wird angenommen, dass in Fällen der gemischten Gesamtvertretung die Vertretungsbefugnis des Prokuristen auf das Niveau des organschaftlichen Vertreters angehoben wird.

Dies ist letztlich eine Frage der Auslegung der erteilten Vollmacht. Wird die gemischte Gesamtvertretung hingegen dergestalt ausgestaltet, dass sie ausschließlich für solche Geschäfte gilt, die ein Prokurist im Rahmen seiner Prokura tätigen kann, so liegt eine sogenannte gebundene Prokura vor.

Halbseitige Gesamtprokura und halbseitige, gemischte Gesamtvertretung

Die halbseitige Gesamtprokura ist gegeben, wenn ein Prokurist nur gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen auftreten darf, während der andere Prokurist auch allein vertretungsberechtigt ist. Ebenso kann eine gemischte Gesamtvertretung halbseitig ausgestaltet sein, was als Prinzipalprokura bezeichnet wird.

Die vorherrschende Lehre erachtet solche Konstellationen als zulässig, wohingegen die Rechtsprechung diese ursprünglich ablehnte, inzwischen jedoch ebenfalls befürwortet. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass der Nutzen und die Zweckmäßigkeit der halbseitigen Gesamtprokura beziehungsweise der Prinzipalprokura kritisch hinterfragt werden können. Wenn einer der beiden Gesamtprokuristen ohnehin allein vertretungsberechtigt ist, scheint die gemeinsame Zeichnungspflicht des anderen Prokuristen vielmehr ein Ausdruck von Respekt und Wertschätzung zu sein als eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass insbesondere in größeren Unternehmen die Erteilung der Prokura häufig als Karrierestufe und Auszeichnung betrachtet wird, weniger als reines Instrument der unternehmerischen Vertretung. In diesem Kontext kann die Verleihung einer Prokura – selbst in Form einer halbseitigen Gesamtprokura – durchaus einen strategischen Wert im Rahmen der Personalpolitik besitzen.

Filialprokurist

Ein Filialprokurist ist eine Person, der die Prokura ausschließlich für eine Zweigniederlassung erteilt wurde (gemäß § 50 Abs. 3 UGB). Die Erteilung einer Filialprokura setzt voraus, dass die Zweigniederlassung unter einer eigenständigen Firma geführt wird. Es ist wichtig zu beachten, dass auch der Filialprokurist den Rechtsträger des gesamten Unternehmens vertritt, nicht jedoch die Zweigniederlassung selbst, da diese keine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt. Darüber hinaus bleibt die Filialprokura – ebenso wie die Generalprokura – nach außen hin uneingeschränkt. Dies bedeutet, dass ein Filialprokurist befugt ist, rechtlich wirksame Geschäfte abzuschließen, selbst wenn diese über den spezifischen Aufgabenbereich der jeweiligen Zweigniederlassung hinausgehen.

Beendigung der Prokura

Gründe für die Beendigung

Die Prokura endet aus den folgenden Gründen:

  • Widerruf durch den Vertretenen gemäß § 52 Abs. 1 UGB
  • Kündigung durch den Prokuristen
  • Todesfall des Prokuristen
  • Verlust der Geschäftsfähigkeit
  • Insolvenz des Prokuristen
  • Insolvenz des vertretenen Unternehmens
  • In bestimmten Fällen: Beendigung des Vertragsverhältnisses, das der Prokura zugrunde liegt
  • Unternehmensrechtliche Umstrukturierungen, wie beispielsweise Umwandlungen oder Verschmelzungen
  • Einbringung oder Spaltung von Unternehmensbestandteilen
  • Verlust des Status als Unternehmen
  • Übernahme der Position des Vertretenen oder einer Organfunktion, wie etwa dem Erlöschen der Prokura durch die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH

Es ist besonders zu beachten, dass die Prokura nicht durch den Tod des Vertretenen endet (§ 52 Abs. 3 UGB). Dies verdeutlicht den spezifischen Unternehmensbezug dieser Vollmacht. Im Falle des Erlöschens der Prokura ist eine unverzügliche Mitteilung durch die vertretungsbefugten Geschäftsführer an das Firmenbuch notwendig. Insbesondere bei rechtsgeschäftlichen Unternehmensübergängen sowie im Rahmen komplexer Umwandlungsprozesse ergeben sich zusätzliche Herausforderungen, die einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung bedürfen.

Widerruflichkeit der Prokura

Die Prokura kann gemäß § 52 Abs. 1 UGB jederzeit durch eine einseitige, formlose Willenserklärung widerrufen werden, unabhängig von dem der Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Diese Regelung umfasst auch die spezielle Vollmacht zur Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften gemäß § 49 Abs. 2 UGB.

Das Widerrufsrecht des Unternehmers ist unabdingbar und kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Es bleibt jedoch ohne Einfluss auf etwaige Ansprüche des Prokuristen auf eine vertragsgemäße Vergütung (§ 52 Abs. 1 UGB).

  • Steht der Widerruf im Widerspruch zu vertraglichen Vereinbarungen, so bleibt der Widerruf dennoch rechtswirksam. Der Prokurist verliert hierdurch jedoch nicht seine sonstigen vertraglichen Ansprüche. Ein Anspruch auf Fortführung des Prokuraverhältnisses besteht allerdings nicht. In solchen Fällen gilt das Prinzip des Schadenersatzes anstelle des Prinzips der Unwirksamkeit.

Anmeldung der Beendigung der Prokura

 Gemäß § 53 Abs. 3 UGB ist der Widerruf der Prokura oder deren sonstige Beendigung verpflichtend beim Firmenbuch anzumelden. Diese Anmeldung kann nicht durch den betroffenen Prokuristen selbst vorgenommen werden. Ebenso wie die Eintragung hat auch die Löschung lediglich deklarative Wirkung. Bis zur Eintragung der Beendigung im Firmenbuch bleibt die Publizitätswirkung des Firmenbuchs gemäß § 15 Abs. 1 UGB weiterhin bestehen. Eine Ausnahme bildet jedoch ein Konkursfall. Es ist zu beachten, dass eine erloschene Prokura nicht von Amts wegen aus dem Firmenbuch gelöscht wird.

Organschaftliche Formalvertretungsmacht

Die gesetzlichen Regelungen zur Prokura finden auch in den Vertretungsbefugnissen nahezu aller organschaftlichen Vertretungen ihre analoge Anwendung.

Die organschaftliche Vertretungsbefugnis ist wie folgt festgelegt:

  • Für die vertretungsberechtigten Gesellschafter der OG/KG (§ 126 Abs. 1 und 2 UGB) sowie der EWIV.
  • Für den Vorstand der AG (§ 74 Abs. 2 AktG) sowie entsprechend für die SE.
  • Für die Geschäftsführer der GmbH (§ 20 Abs. 2 GmbHG).
  • Für den Vorstand der Genossenschaft (§ 19 GenG) sowie der SCE (Art. 47 SCEV).
  • Für den Vorstand des VVaG (§ 44 Abs. 3 VAG).
  • Für das Vertretungsorgan des IV (§ 6 Abs. 3 Vers).
  • Für den Stiftungsvorstand der PS (gemäß herrschender Ansicht).
  • Für die vertretungsberechtigten Vorstandsmitglieder einer Sp (§ 19 Abs. 1 lt. Satz SpG).

Diese Vertretungsmacht ist gegenüber Dritten uneingeschränkt und darüber hinaus in das Firmenbuch (FB) einzutragen.

Vor der Reform des Handelsrechts war umstritten, ob Liquidatoren dieselbe uneingeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht wie organschaftliche Vertreter besitzen. Die damaligen Rechtsvorschriften begrenzten die Vertretungsmacht der Liquidatoren auf ihren jeweiligen Geschäftsbereich. In der juristischen Fachliteratur wurde jedoch die Gleichstellung mit der organschaftlichen Formalvollmacht befürwortet. Diese Auffassung wurde durch das Unternehmensgesetzbuch (UGB) bestätigt und übernommen.

Vertretungsmacht der Liquidatoren

Die Vertretungsmacht der Liquidatoren ist daher wie alle anderen organschaftlichen Vertretungsbefugnisse uneingeschränkt und unbeschränkbar. Innerhalb des Innenverhältnisses verbleibt jedoch die Bindung der Liquidatoren an ihren definierten Geschäftsbereich.

Welche Vorteile bietet das Institut der Formalvertretungsmacht?

Die Relevanz des Instituts der Formalvertretungsmacht wird besonders deutlich, wenn man die erheblichen Schwierigkeiten betrachtet, die entstehen können, wenn juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Dritten über die Grenzen der Vertretungsbefugnis ihrer Organe in Streit geraten.Zusätzlich ist hervorzuheben, dass ein faktischer Geschäftsführer einer GmbH nicht automatisch berechtigt ist, die Gesellschaft im rechtsgeschäftlichen Verkehr zu vertreten. Die Beurteilung seiner Vertretungsbefugnis erfolgt nach den allgemeinen vollmachtsrechtlichen Grundsätzen. Wird die Gesellschaft, für die die Formalvollmacht besteht, gelöscht, erlischt gleichzeitig auch die organschaftliche Vertretung. Die Vorschriften zur Formalvollmacht des GmbH-Geschäftsführers finden zumindest analog auch auf den stellvertretenden Geschäftsführer Anwendung. Sofern dem stellvertretenden Geschäftsführer eine Formalvollmacht zugestanden wird, muss diese Vertretungsbefugnis unabhängig davon bestehen, ob im Innenverhältnis ein Vertretungsfall gegeben ist. Der Zweck der Formalvollmacht würde konterkariert, wenn auch das Außenverhältnis durch mögliche Streitfragen belastet würde, etwa ob der eigentliche Geschäftsführer verhindert war und daher der Stellvertreter die Vertretung übernehmen durfte.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts

Im Regelfall verfügen die Vertretungsorgane juristischer Personen des öffentlichen Rechts über keine Formalvollmacht. Fehlt beispielsweise bei einer Vertretungshandlung eines Bürgermeisters der dafür erforderliche Gemeinderatsbeschluss, so mangelt es ihm an der notwendigen Vertretungsmacht, um den Vertrag wirksam abzuschließen. In solchen Fällen ist der Vertrag als unwirksam anzusehen. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts unter bestimmten Voraussetzungen stillschweigend Vertretungsmacht einräumen können. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass das vertretungsbefugte Organ den entsprechenden Anschein erweckt und die gesetzlich oder anderweitig festgelegten Grenzen der Vertretungsmacht nicht überschritten werden. Die Annahme, dass Beschlüsse von Kollegialorganen auch durch schlüssiges Handeln gefasst werden könnten, ist hingegen problematisch und führt zu zahlreichen rechtlichen Unsicherheiten. Eine solche Vorgehensweise ist daher kritisch zu betrachten.

Fazit

Die Prokura im österreichischen Unternehmensrecht stellt eine besonders weitreichende und zugleich formal regulierte Vollmacht dar, die durch ihre Eintragung ins Firmenbuch zu einem zentralen Element des geschäftlichen Rechtsverkehrs wird. Ihre gesetzlichen Grundlagen gemäß den §§ 48–53 UGB definieren sie als unbeschränkbare Vertretungsmacht für alle Arten von Geschäften, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt, wobei spezifische Ausnahmen wie die Veräußerung von Liegenschaften oder die Erteilung weiterer Prokuren klar geregelt sind. Insbesondere zeichnet sich die Prokura durch ihre strikte Publizität sowie ihre Wirksamkeit gegenüber Dritten aus, unabhängig von internen Beschränkungen. Auch die Formvorgaben für das Auftreten und Zeichnen als Prokurist (§ 51 UGB) bilden eine wesentliche Grundlage für die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr. Die Unübertragbarkeit und die Beendigungsmöglichkeiten, einschließlich ihres Widerrufs, sind klar geregelt und gewährleisten eine flexible Anpassung an organisatorische Veränderungen. Durch die dogmatische Trennung von Innen- und Außenverhältnis stellt die Prokura ein effektives Instrument dar, das nicht nur den Geschäftsverkehr erleichtert, sondern auch das Vertrauen in die Rechtssicherheit unternehmerischer Vertretung stärkt. Insgesamt verdeutlicht sie exemplarisch die Balance zwischen unternehmerischer Freiheit und rechtlicher Verlässlichkeit.

Praktische Relevanz für Unternehmen

Für Unternehmen ist die Prokura ein entscheidendes Instrument, um Verantwortlichkeiten klar zu delegieren und den operativen Betrieb effizient zu gestalten. Dennoch sollten alle Beteiligten die rechtlichen Rahmenbedingungen und Risiken genau kennen, insbesondere im Hinblick auf die Grenzen, die gesetzlich definiert sind. Ein sorgfältiges Management der Prokura, inklusive regelmäßiger Überprüfung und Anpassung im Firmenbuch, ist essenziell, um rechtliche und organisatorische Probleme zu vermeiden.